Die Hohe Straße, Heerstraße, Handelsweg, Landwehr und Grenze an der Sieg



Foto: alte Heerstraße


Die Tenkterer


Im Süden von Eitorf, wo heute die Bundestraße 8 über die Höhen in den Westerwald ansteigt, ist die Wasserscheide zwischen Sieg, Hanfbach und Wied. Hier verläuft seit jeher ein alter Handels- und Wanderweg, ein Teil des vorrömischen Wegenetzes. Er zog sich über die einsamen Bergrücken und wurde von unwegsamen Waldgebieten flankiert. In seinem Verlauf vermied er die sumpfigen Talgründe. Später, als Heerstraße, führte er von Brügge über Köln nach Leipzig. Hier im rauhen, waldreichen Bergland siedelten ( etwa seit 600 v. Chr. ) schon Kelten und danach, mitunter auch gleichzeitig, Teile der Germanenstämme Ubier, SugambrerTenkterer, Brukterer und Usipeter ( etwa ab 450 v. Chr. La-Tene Zeit ). Die Germanen wohnten in der Regel in Einzelgehöften. Wie neueste Forschungen belegen, entstanden in den Mittelgebirgen auch bereits Dörfer von bis zu 50 Häusern, in denen damals bis zu 900 Menschen wohnten.

Diese lebten hauptsächlich vom Ackerbau und der Viehhaltung. Daneben hatte die Jagd eine gewisse Bedeutung, denn sie lieferte Fleisch und Pelze. Die Pfostenhäuser waren aus Holzstämmen, Reisigflechtwerk und Lehm errichtete Ständerbauwerke von nur geringer Lebensdauer.

Tiere und Menschen lebten unter einem Dach. Anders als die großen östlichen und nördlichen Germanenstämme – wie etwa Kimbern, Teutonen, Goten und Langobarden – sind die Germanen der Mittelgebirge zwischen Main und Lippe nie zu den großen Wanderzügen nach Süden aufgebrochen.

Obwohl Halbnomaden, verließen sie ihre Wohnstätten in der Regel nur, wenn die Böden der Äcker erschöpft waren.

Die damaligen Bewohner unserer Heimat waren kriegerische Reiterstämme. Sie lagen nicht nur untereinander häufig im Streit; mehrmals setzten Gruppen zu Raubzügen über den Rhein in römisch besetztes Gebiet. So drang z.B. die Reiterei der Usipeter und Tenkterer ( ab 70 v. Chr. ) mehrmals in das Land links des Rheines vor. Auf kleinwüchsigen Pferden ( Schulterhöhe 1,2 bis 1,3 m ) gelangten sie dabei bis nach Nord-Belgien. Im Jahre 55 v. Chr. zogen sie wieder einmal über den Rhein, um mit den römischen Truppen zu kämpfen.   

Nachdem die Römer die Strategie aufgegeben hatten, Germanien zu erobern, war der Rhein (ab 120 n. Chr. südlich von Rheinbrohl der Befestigungswall des Limes) endgültig die Grenze des Römischen Imperiums gegenüber dem freien Germanien. Um das Grenzland möglichst siedlungsfrei zu halten, stießen die römischen Legionäre immer wieder von ihren Kastellen und Brückenköpfen am rechten Rheinufer in dieses Gebiet vor. Dabei mussten sie die vorhandenen, zwar unbefestigten, jedoch ganzjährig passierbaren Höhenwege benutzen. (wie Heidenstraße, Nutscheid, Hohe Straße). Wo sie durchzogen, wurden Felder verwüstet und an die Häuser Feuer gelegt. Wer von der Bevölkerung nicht rechtzeitig in Wäldern und unzugängichen Siefen Zuflucht fand, wurde niedergemacht oder als Arbeitssklave weggeschleppt. Von dieser bewährten Strategie wurde nur dann abgewichen, wenn die Besiegten als Bundesgenossen oder Handelspartner gewonnen werden konnten.

Im Jahre 229 kamen über alte Heerstraßen (Nutscheid, Heidenstraße, Hohe Straße) von Osten her Germanenscharen gezogen. Im Bereich der Siegmündung trafen sie auf den Rhein. Vor Bonn kam es damals zur Schlacht, in der die Römer siegreich blieben. Dieser Vorstoß der rechtsrheinischen Germanen hatte jedoch keinerlei Veränderungen in der Besiedlungsdichte unserer Heimat zur Folge.

Ab dem 5. Jahrh. zogen vom Rhein her fränkische Bauern in unsere Heimat und haben wohl auch hier in Eitorf, Windeck und auf den umliegenden Höhen fruchtbare Böden in Besitz genommen und hier ihre Wohnungen gebaut. Durch mehrere Besiedlungsschübe, die bis in die Zeit Karl Martell (8 Jahrh.) andauerten, sollte ein weiteres Vordringen der Sachsen in das immer noch verhältnismäßig siedlungsarme Gebiet verhindert werden. Diese volkreiche Vereinigung der nordwestlichen Germanenstämme war damals von Norden her vereinzelt schon über die Sieg bis in den unteren Westerwald vorgedrungen und somit auch in unsere Heimat. Eine Reihe unserer heutigen Gewässer und Ortsnamen weisen auf eine sächsische Besiedlung hin. Schon ab dem Ende des 5 Jahrh. zählte unser Gebiet zum Einflussbereich der ripuarischen Franken. Im Jahre 509 wurde dann "das Land Ripuaria" mit seiner Hauptstadt Köln Teil des Reiches von König Chlodwig, der aus der salisch fränkischen Merowinger Dynastie hervor ging,  den ripuarischen König Sigibert hatte er durch dessen Sohn Chloderich ermorden lassen.

Den fränkischen Siedlern folgten etwa dem 8 Jahrh. christliche Missionare, und das besonders zur Zeit Karls des Großen. Bis dahin hatten unsere Vorfahren noch in Eichenhainen auf den umliegenden Höhen den alten Göttern geopfert. Die Missionierung unserer Heimat ging vom Bonner Cassiusstift aus. 

Um diese Zeit hatten auch die Benediktinerinnen  des Stifts Vilich, Länderein und verbriefte Rechte in Eitorf, Kaiser Konrad II. bestätigte 1144 in einer Urkunde dem Stift Vilich einen Besitz, den sie schon im Jahr 978 "in villa eidtorph" hatten (Villa Eitorf).  

Als St. Bonifatius im Land der Chatten und Thüringer (720-735) missionierte, führte sein Weg vom Rhein über die alten Höhenwege. Er hat auf dieser Missionsreise mehrere Michaelis-Kirchen geweiht. Der streitbare Engel mit dem Schwert war ein Schutzpatron so recht im Sinne der eben bekehrten Germanen.


Heerweg
Auf dem Nutscheid-Höhenzug zwischen Sieg und Bröl fanden sich aus früheren Jahrhunderten hier noch die Reste eines alten Heerweges, der sogenannten "Römer- oder Schneppestraße". Die alte "Römerstraße" hat sich jedoch als falsche Bezeichnung eingebürgert.   

Der alte Heerweg ist oft 12m breit und weist bis zu 5 Fahrbahnen auf. Durch stille Wälder und über einsame Höhen zieht sich "die alte hole Straiß" wie sie auf der Mercator-Karte genannt wird, weiter über Altenherfen, Waldbröl bis ins Siegerland. Auf einer alten Karte von 1644 wird sie "die Nöthscheider Straß, so nach Bonn führet" genannt.


Damals (1607) kontrollierten hier Zöllner und Bewaffnete den Verkehr auf einer der wenigen Handelsstrassen, die durch das Bergland von Nord nach Süd führten. Die Durchgänge waren mit Schlagbäumen gesperrt. Diese historische Straße kam weit von Norden über Ruppichteroth, kreuzte dann die Nutscheid Straße und querte die Sieg durch eine Furt oberhalb von Eitorf.

Auf der Mercator-Karte aus dem Jahre 1575 ist der Höhenzug noch unter dem Namen "Noitscheid" und im Siegburger Vertrag vom 12. Juni 1604 unter dem Namen "Noitscheid" verzeichnet. Erstmalig wird die Nutscheid im Jahre 1464 genannt. Die erste Silbe ("Not", des alten Namens) muß man wohl bei dem Versuch einer Namensdeutung zugrunde liegen.

Die alten bergischen Wege von größerer Ausdehnung waren im Prinzip Höhenstraßen, d.h. ihr Lauf folgte zum größten Teil den Wasserscheiden. Dafür waren bestimmt keine strategischen Gesichtspunkte maßgebend gewesen, sondern man ließ sich hierbei nur vom Zwange der Natur leiten. Die Täler waren nicht nur versumpft, sondern auch meist so eng und die Abhänge so steil, daß eine Fortbewegung mit Lasten oder bespannten Wagen nahezu unmöglich war. Nur dann, wenn es sich nicht zu umgehen war, stieg man in die Täler hinab, um sie gleich auf dem kürztestem Wege wieder zu verlassen. Doch möchte ich davor warnen, nun jeden Höhenweg als alt anzusehen. Es gibt gerade im Bergischen Land viele Höhenstraßen, die erst nach dem Mittelalter angelegt worden sind. Die alten Straßen sind ja keine Straßen im heutigen Sinne, sind auch keine Römerstraßen, die man an ihrem Unterbau erkennen kann, sondern durch häufiges Begehen entstanden sind, wie etwa ein schmaler Fußpfad durch eine Wiese.

Diese alten Wege, deren eine Anzahl in und an unserem Heimatraume vorbeiziehen, waren die ersten "Schlagadern" des Handels und Kultur.
Bis 1604 ging über den Kamm der Nutscheids die Grenze zwischen dem Herzogtum Berg und der Herrschaft Homburg. Auch die Konfessionen scheiden sich hier: Das Waldbröler Gebiet ist fast evangelisch, das Dattenfelder katholisch. Das Nutscheid ist auch Sprachscheide. Nördlich sagt man "koochen, stoochen und äßen", an der Sieg kauchen, stauchen, und eißen". Selbst der Geologe findet etwas Trennendes: Nach Nord Mitteldevon, im Süden Unterdevon. Der Laie kann schon den Unterschied feststellen, zur Sieg hin steile Abhänge, die Ruine Windeck z.B. liegt an einem solchen Abhang; zur Bröl hin flache Hänge, die vielfach landwirtschaftlich genutzt werden. 

Für unseren Berichtsraum seien sie nur erwähnt: die Schneppe- oder Nutscheidstraße, der Kalk- oder Polizeiweg und die Eisenstraße.
(Der Kalk- oder Polizeiweg führte von Leuscheid über den Eichstumpf in der Nähe von Herchen durch die Sieg nach Schöneberg. Er bekam seinen Namen von den vielen Kalkfuhrleuten, die dieses damals "einmalige" Düngemittel (Guano aus dem Vogeldünger gabe es damals noch nicht) im nahen Bröltal ins Leuscheider-Land karrten ).

Der Galgenberg
Der Name Nutscheid hat sich für den einsamen Höhenzug nur in dem Gebiet zwischen Waldbröl und Ruppichteroth eingebürgert. Seine markantesten Höhenpunkte sind das "Hohe Wäldchen" (378,1 m) und der Galgenberg (356,1 m). Letztgenannter hat, wie sein Name schon sagt eine bedeutende geschichtliche Vergangenheit.

 
Foto: Gerichtseiche am Galgenberg in der Nutscheid


Am Sitz des Hochgerichtes stand der Galgen (Hangbaum), an den sich noch zahlreiche Orts- und Flurnamen erinnern. Mancherorts hieß der Galgen auch Schlucht, Schluacht oder Schloch (=dünnes Holz, Galgen). Der arme Schlucker war der Sünder, der den Weg zum Schluacht antreten mußte.
Hierauf will man den Namen Schladern an der Sieg zurückführen. Das Gehege, die Schranke mit dem Galgen nannte man auch Reck, Rech oder Rechen (zum recken, verrecken der Glieder). In früherer Zeit wurde der  Haken am Galgen Ben (Beng, Benk) genannt. Der Bengel ist ein Galgenstrick. 

 

Der dicke Stein bei Rossel.
Nachdem wir nun den Galgen und seine wechselvolle Geschichte verlassen haben, wollen wir uns noch einigen anderen fast vergessenen Dingen des Nutscheids zuwenden. An einer der vielen Querverbindungsstraßen (Siegburg-Bröltal) finden wir oberhalb des Ortes Rossel auf der Höhe (256,6m ) tief im Gehölz verborgen ein für hiesige Gegenbenheiten seltenes Naturdenkmal - einen sogenannten Härtling. Es handelt sich hier um Erhebungen widerstandsfähiger Gesteine über ihre schneller abgetragene und verwitterte Umgebung. Schon mancher unkundige Spaziergänger hielt ihn für einen Meteor - einen himmlischen Boten und versuchten, sich ein gewichtiges Andenken abzuschlagen um einen stark eisenhaltigen Brocken seiner Sammlung einzuverleiben. Nach neuesten Kenntnissen handelt es sich um einen  Steinringkreis, eine Opferstätte aus  vorkeltischer Zeit.

 
Foto: Der Härtling im Mischwald zu Rossel

 

Rennfeueröfen
Noch eine weitere Besonderheit möge hier kurz erwähnt werden: Auf der Merkator Karte (1575) führt eine Straße von Au zur Nutscheidstraße. Dort, wo sie zusammentreffen heißt es "Am Renfelde". Noch heute heißt die Straße im Volksmund Eisenstraße, wegen der vielen Schürflöcher, wo man den Brauneisenstein abbaute. Der vorgenannte Flurnamen erinnert uns an die mittelalterliche Eisenverhütung in unseren Heimatbergen, sind doch gerade auch im Nutscheidgebiet noch zahlreiche Überreste ehemaliger Rennfeueröfen zu finden. Besonders an den vielen kleinen Bachläufen kann der kundige Wanderer noch manche Schlackenhalden im Gebüsch ausfindig machen. Der reiche Waldbestand förderte die Gründung solcher Waldschmieden;  denn die Holzkohle führte damals zum Raubbau an unseren Wäldern. Dem Verfasser ist es gelungen 15 solcher Verhüttungsplätze und 2 Rennfeueröfen im engeren Heimatbereich zu entdecken.

Mannlöcher
Weitere interessante Überbleibsel aus vergangenen Zeiten sind die sogenannten Mannlöcher, die aber im Gegensatz zu den Meilerplätzen nur noch selten zu finden sind, da sie im Laufe der Zeit zerfielen und von der Natur eingeebnet wurden. Die damaligen Holzfäller wälzten den gefällten Baumstamm über eine ausgehobene Grube, um ihn an Ort und Stelle in Balken und Bohlen zu zersägen. Der Transport des schweren Stammholzes war damals ungleich schwieriger als heute. So mußte ein Mann in der Grube und der zweite Mann auf dem Stamm stehend die lange Spaltsäge ("Spaalsäj") betätigen. Diese anstrengende Arbeit wurde allerorts verrichtet, da in damaliger Zeit fast alle Häuser auf dem Lande im Fachwerkstil und in Nachbarschaftshilfe errichtet wurden.

 

Schwedenschanzen - Landwehre
Aber auch noch bedeutsame geschichtliche Relikte finden wir in den schweigsamen Tälern und den bewaldeten Hängen: die Schwedenschanzen oder Landwehre mit ihren Gräben und Wällen. Sie wurden in früheren Zeiten zum Schutz des Landes und der Bewohner an besonders gefährdeten Stellen und wichtigen Verbindungswegen (oft mit Schlagbäumen) angelegt. Die meisten Landwehre dürften - wie eingehende Forschungen ergeben haben, im 14. und 15. Jahrh. zur Zeit des Fehdewesens und des Faustrechts  entstanden sein. Bereits 1509 und 1512 wird in den bergischen Grenzbegehungsberichten eine Landwehr bei Denklingen und in der Windecker Rentmeisterrechnung von 1771/72 eine Landhecke erwähnt. Durch die fortschreitende Urbarmachung und Besiedlung des Landes sind sie heute zum größten Teil eingeebnet. Durch Zufall ist es dem Verfasser gelungen, eine ältere Urkunde im Fürstlich Wiedischen Archiv zu Neuwied zu entdecken, diese stammt aus dem Jahre 1486 beschreibt dem Grenzverlauf zwischen Höhnrath und Hahnenbach. Die alten Orts- und Flurnamen (wie Hecke, Schlag, Gebück) verraten uns oft noch heute die ehemalige Lage und den Verlauf einer Landwehr, wenn auch im Gelände nichts mehr zu sehen ist.
Weitere solcher Anlagen finden und fanden wir bei Oberrieferath und bei Roth ( Rossel), doch diese wurde bereits durch den neuen Straßenbau Wilberhofen - Ruppichteroth vernichtet. 


Foto: Das bereits vernichtete Landwehr bei Roth (Rossel) im Neuschnee

 

 Quellenverzeichnis:
Unser Nutscheid, Emil Hundhausen ,
Hans Deutsch, Die Schlacht bei Kircheib

 

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