Nabu geht auf Konfrontationskurs für mehr Naturschutz bei den Windkraftanlagen

Die Zurückhaltung gegenüber der Ampel scheint nun beendet. Gestützt auf ein Gutachten des Berliner Verwaltungsrechtlers Thorsten Deppner geht der Nabu in die Offensive für mehr Naturschutz und fordert die EU-Kommission in einem Beschwerde-Schreiben zum Einschreiten auf.
Deppner hat das Osterpaket im Auftrag des Verbandes analysiert und kommt zu dem Ergebnis, dass die Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz in mindestens fünf zentralen Punkten gegen EU-Recht verstoßen.
Im Kern geht es um die Frage, wie nah Windräder an die Nester betroffener Vogelarten heranrücken dürfen, in welchem Umkreis um ein Nest eine Risikoanalyse stattfinden muss und welche Arten überhaupt berücksichtigt werden müssen: zentrale Fragen in jedem Genehmigungsverfahren. Das Gutachten kritisiert beispielsweise, dass die neuen Prüf-Radien nicht auf Basis wissenschaftlicher Standards festgelegt worden seien. „Die Grenze wird vielmehr willkürlich gezogen, basierend auf politischen Erwägungen.“
Der Fischadler gehört zu den 15 als windkraftsensibel eingestuften Vogelarten.
Vorrang für Erneuerbare hat seinen Preis: Die vom Aussterben bedrohten Großtrappen verlieren mit der Novelle des Bundesnaturschutzgesetz komplett die Anerkennung als windkraftsensible Vogelart.
Weniger Arten, geringere Prüfradien
Tatsächlich sind die zu prüfenden Schutzabstände zwischen Nestern und Windkraftanlagen für zahlreiche Arten nun deutlich geringer als von den Fachbehörden empfohlen und als bislang in vielen Bundesländern praktiziert. Für Fischadler beispielsweise galt in vielen Bundesländern ein „signifikant erhöhtes Tötungsrisiko“ bislang im Radius von 1000 Metern um den Horst herum als gegeben. Viele Genehmigungsbehörden genehmigten in diesen Bereichen bislang keine Windräder.
Im geänderten Bundesnaturschutzgesetz liegt dieser „Nahbereich“ nur noch bei 500 Meter. Noch schlechter könnte es für den hierzulande vom Aussterben bedrohten Schreiadler laufen. Die als Fachbehörden der Länder bislang zuständigen Vogelschutzwarten empfehlen für ihn einen „Tabubereich“ von 6000 Metern, und Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern als Hochburgen der Vorkommen sehen zumindest einen 3000-Meter-Schutzradius vor. Im geänderten Naturschutzgesetz soll dagegen lediglich in einem 1500-Meter-Umkreis um den Horst ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko und damit ein ernstzunehmendes Genehmigungshindernis für Windräder angenommen werden.

Flog buchstäblich in letzter Minute aus der Liste der als windkraftanfällig anerkannten Vogelarten: Auf Schwarzstorch-Vorkommen muss künftig noch weniger Rücksicht genommen werde.

In Deutschland fast ausgestorben und extrem gefährdet durch die Windkraft. Dennoch wird der Mindestabstand zwischen Horst und Windrädern mit der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes drastisch verringert.
Auch die Begrenzung der Prüfung auf nur noch 15 „kollisionsempfindliche“ Vogelarten macht das Gutachten als Verstoß gegen den Artenschutz bei einer Vielzahl anderer Vogelarten aus. Das europäische Recht schützt aber alle wildlebende Vogelarten.
Die Vogelschutzwarten sehen in ihren Abstandsempfehlungen bisher mehr als 40 Arten als kollisionsgefährdet an. Gerichte zogen diese Liste bisher häufig als Entscheidungsgrundlage zu Rate. Nach dem geänderten Naturschutzgesetz sind nur noch die meisten Greifvogelarten und der Weißstorch als „relevant kollisionsgefährdet“ eingestuft. Selbst nach Auffassung der Vogelschutzwarten stark kollisionsgefährdete und zugleich vom Aussterben bedrohte Arten wie Großtrappe oder Bekassine fehlen in der neuen 15er-Liste der kollisionsgefährdeten Arten.
Politisches Geschachere um einzelne Arten.
„Die Mitgliedsstaaten der EU sind verpflichtet, Regelungen zu erlassen, die die Einhaltung des EU-Rechts zum Artenschutz gewährleisten“, sagt Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Das bedeute auch, dass neue Regelungen zu Artenschutzprüfungen wissenschaftlich fundiert sein müssten. Mit den Abstandsempfehlungen der Vogelschutzwarten existiere diese Grundlage. „Die Bundesregierung lässt jedoch wissenschaftliche Erkenntnisse zur Naturverträglichkeit außer Acht, ohne dies zu begründen”, kritisiert Miller.
Als ein Paradebeispiel für eine „politisch“ motivierte Entscheidung gilt Fachleuten der Schwarzstorch. Für diese bisher von Windkraftbetreibern besonders häufig als „Bauhindernis“ in den wegen guter Windverhältnisse begehrten Mittelgebirgslagen ausgerufene Vogelart muss nach der Gesetzesänderung keine Prüfung mehr stattfinden. Das, obwohl sie laut Fachliteratur als eindeutig kollisionsgefährdet gilt und in ersten Entwürfen für das Osterpaket auch noch als solche geführt wurde.
Für den Schwarzstorch sind keine Windkraft-Schutzzonen um den Horst vorgesehen. Zuvor galt in vielen Bundesländern ein 3000-Meter-Abstand, innerhalb dessen kein Windrad gebaut werde durfte.
Auch der Wespenbussard ist als weit verbreitete, aber zugleich stark kollisionsgefährdete Vogelart eine zwischen Naturschützern und Windkraftbetreibern besonders umstrittene Art.
In zähem Ringen zwischen Wirtschafts- und Umweltministerium soll sich das Habeck-Ressort in letzter Minute mit der Streichung der Art aus der Liste windkraftsensibler Arten durchgesetzt haben. Dagegen habe das Lemke-Ressort die Streichung des Wespenbussards – eine weitere flächendeckend verbreitete Vogelart, die vielen Windprojektierern ein Dorn im Auge ist – verhindert, heißt es von Insidern.

Brandbrief nach Brüssel.
Der Nabu fordert nun von der EU-Kommission, ihrer Rolle als Hüterin des EU-Rechts gerecht zu werden. „Mit diesem Schreiben möchten wir Sie über systematische Verstöße Deutschlands gegen EU-Naturschutzrecht in Kenntnis setzen und Sie um Abhilfe bitten“, heißt es in dem zu Wochenbeginn abgeschickten Beschwerdeschreiben.
„Wir werden klagen und sind zuversichtlich zu gewinnen – für Mensch und Natur.“
Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller
Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller kündigt Klage gegen das Osterpaket an.
“Wir gehen davon aus, dass das Osterpaket der Bundesregierung nicht mit dem europäischen Naturschutzrecht vereinbar ist“, begründet Nabu-Geschäftsführer Miller den Schritt. „So erreichen wir weder eine Beschleunigung des Ausbaus durch rechtssichere Standardisierungen noch eine angemessene Berücksichtigung des Artenschutzes bei der Energiewende.”
Miller kündigt als Konsequenz weitere Klagen an. Der Nabu werde gerichtlich feststellen lassen, dass das Osterpaket nicht mit dem EU-Artenschutzrecht vereinbar sei, sagt er. „Wir werden klagen und sind zuversichtlich zu gewinnen – für Mensch und Natur.“
 
 
 
Nabu offshore Windkraft in Deutschland, Chance fürs Klima - Risiko für die Meere

Bericht vom Nabu
Steuerung und Regulierung notwendig,
Wie viel Windkraft vertragen Nord- und Ostsee? Welche Rolle spielt die Offshore-Windkraft im Energiemix der Zukunft? Und wie können die negativen Auswirkungen des Baus von Windkraftanlagen und deren Netzanbindung naturverträglich realisiert werden? Zentrale Fragen für die Zukunft der Offshore-Windkraft in Deutschland. Doch ein übergeordnetes Konzept fehlt bisher. Zahlreiche Offshore-Projekte wurden bis heute genehmigt und vielfach wurden Arten- und Naturschutz dabei zu wenig berücksichtigt, wie eine NABU-Studie aus dem Jahr 2014 zeigte. Klima- und Artenschutz sind untrennbar und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Vielmehr haben intakte Meere aufgrund ihrer natürlichen Klimafunktionen einen wichtigen Einfluss in der Klimakrise.

Daher fordert der NABU:
• Der Ausbau der Offshore-Windenergie darf nur im Rahmen der ökologischen Belastungsgrenzen von Nord- und Ostsee vorangebracht werden.
• Bei zukünftigen Ausbauszenarien müssen die tatsächlichen Raumansprüche von Windenergieanlagen berücksichtigt werden. Konzepte müssen die Meideabstände von Seevögeln zu den Turbinen, Lebensraumverluste und Kollisionsrisiken unbedingt mit einrechnen.
• Perspektivische Ausbauziele, die über das heutige EEG hinaus gehen, sind nur berechtigt, wenn gleichzeitig andere Belastungen der marinen Ökosysteme (z.B. Rohstoffabbau, Fischerei, Schifffahrt) reduziert werden.
• Die natürlichen klimarelevanten Ökosystemleistungen der Meere insbesondere als Kohlenstoffsenke müssen bei raumordnerischen Planungen stärker berücksichtigt werden.
 
 

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