Der Windecker Elch, Sensationsfund an der Sieg


Mit Fug und Recht ließen sich genügend Gründe finden, um das Windecker Ländchen als geschichtliches „Hinterdux“ zu bezeichnen, oder anders gesagt: die Ansicht, dass Windeck für die überegionale Vor- und Frühgeschichte eine Bedeutung haben könnte, dürfte noch vor kurzem als vermessen belächelt worden sein. Wer hätte schon geglaubt, dass ausgerechnet der „König der nordischen Wälder“, der Elch, womöglich in Windeck seinen Ausgangspunkt für ein noch nicht geschriebenes Geschichtskapitel nimmt?

Werner Schmidt aus Dreisel ist der Finder des Windecker Elches. Bei einer Feldbegehung sammelte er einen mit Lösslehm bedeckten Stein aus. Erst nach der Säuberung erkannte Schmidt auf beiden Seiten des Steins eine Tiergravur auf Tonschiefer.

Experten datieren den Fund vorsichtig auf die jüngere Altsteinzeit (Jungpaläölithikum), auf etwa 11.000 v. Chr.

Ein „Künstler“ aus der Steinzeit hatte den Stein auf einem Windecker Feld wohl vergessen oder verloren.

Bislang fand man europaweit nur vereinzelt figürliche Darstellungen, das Elchmotiv sucht gar seinesgleichen, es ist bis heute das einzige Exemplar aus dieser Zeitstellung.

Die erste Ausstellungsstation der „Sensation von der Sieg“ ist das Rheinische Landes Museum in Bonn, das den verzierten Stein als „Fund des Monats“  präsentierte.

Für Schmidt ist der Elch wahrscheinlich der „Fund des Lebens“. Der ehemalige Postbeamte hat in den vergangenen Jahrzehnten in seiner Freizeit Zehntausende Oberflächenfunde durch Feldbegehungen in Windeck und im angrenzenden Rheinland-Pfalz für die Wissenschaft zu Tage befördert. Scherben, Faustkeile, Pfeilspitzen, Perlen und andere Hinterlassenschaften aus allen Epochen bis weit in die Altsteinzeit hat der damals 66-jährige in den Händen gehalten und diese regelmäßig zur Datierung bei der Außenstelle des Amtes für Bodendenkmalpflege in Overath eingereicht.

Ausgestattet mit einem umfassenden Wissen über  die Frühgeschichte, kombiniert mit einem Verständnis über die Zusammenhänge der Natur durch die Jagd und durch seine Funktion als Landschaftswart hat Schmidt im Laufe seines Lebens einen Siebten Sinn für die bevorzugten Rast- und Siedlungsplätze entwickelt.

An einem Sonntag Anfang Juni 2005 besuchte Schmidt zum vierten Mals ein Feld in der Gemeinde Windeck, sein untrüglicher Instinkt ließ ihm keine Ruhe, berichtete Schmidt. „Die Saat stand bereits mehrere Zentimeter hoch, 
eigentlich schon zu spät für die Suche“, berichtete Schmidt. Manchmal lugt ein vom Regen abgewaschener Stein aus der Erde, oft aber ist es, wie an diesem Sonntag auch, ein „Lehmklumpen“ wanderte in Schmidts Tüte, weil er auffällige Form hatte.

Nach seinen Ausflügen weicht Schmidt alle Fundstücke über Nacht in der Regentonne ein, am Morgen lässt sich dann schonend der Schmutz entfernen. „Ich sah sofort, dass ich ein ungewöhnliches Stück in den Händen hielt, auf beiden Seiten des Steins waren Tiergravuren zu erkennen“, so Schmidt.

Das Amt für Bodendenkmalpflege war über alle Aktivitäten Schmidt’ s unterrichtet. Außerdem schickte er eine Fotografie an Dr. Street vom Römischen-Germanischen Zentralmuseum Mainz, das auf Schloss Monrepos bei Neuwied einen eigenen Forschungsbereich Altsteinzeit führt. Mikroskopische Analysen und stilistische Vergleiche mit Funden aus dem Neuwieder Becken, aus Frankreich und der Schweiz bestätigen, was Dr. Street mit dem bloßen Auge beim Betrachten des Fotos vermutete: Kein Zweifel,

hier haben wir es mit etwas Altem zu tun.“

Deutliche Schrammen und Narbenfelder weisen auf einen so genannten Retuscheur, ein steinzeitliches Werkzeug, mit dem unsere Urahnen Steingeräte bearbeiteten. „Sensationell an diesem Stück ist, dass auf beiden Seiten Tiersilhouetten 
eingraviert sind. Der lange Kopf, der ausgeprägte Widerrist und die Proportionen deuten auf die Darstellung eines Elches hin“, erläuterte Dr. Street bei der Vorstellung des Fundes im Bonner LandesMuseum.

Experten beschäftigen sich schon seit einiger Zeit mit der Auswertung von Schmidt‘ s beträchtlicher Sammlung an ‚Fundstücken, die ihre eigene Geschichte über die Wege unserer Urahnen erzählen. Im Frühjahr wird ein Fachteam 
an der Fundstelle des Elches eine Grabung vornehmen, um die Datierung zu präzisieren und vielleicht neue Erkenntnisse über diese weit zurückliegende Zeit zu gewinnen.   

Innerhalb kurzer Zeit veränderte sich das mitteleuropäische Klima am Ende der letzten Eiszeit vor 16700 Jahren.

1700 Jahre dauerte die so genannte Allerödzeit, in der große Teile in Europa wärmer und feuchter wurden. Pferd, Ren und Wisent, die in großen Tierherden durch die Steppenlandschaft gezogen waren, verschwanden. Mammut und 
Wollnashorn starben aus. Rotwild und der größte Hirsch der Erde, der Elch, fanden in der sich ändernden Vegetation für einige Zeit ideale  Bedingungen. Sie bevorzugen Täler mit Weichholzbewuchs (Weide, Pappel und Birke) und mit Nähe zum Wasser.

Autor: Karl Ludwig Raab
Autor des Textes: Sylvia  Schmidt

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